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Prof. Dr. Thomas Straubhaar, Ökonom, Migrationsforscher und Professor für Volkswirtschaftslehre, insbesondere für Internationale Wirtschaftsbeziehungen an der Universität Hamburg, beantwortet uns, welchen wirtschaftlichen Herausforderungen wir uns in den kommenden Jahren stellen müssen.
Früher war alles besser!? Wer ertappt sich in der aktuellen Zeit nicht bei diesem Gedanken? Tatsächlich wird die für die Nachkriegszeit prägende „Überflussgesellschaft“ aktuell von eine „Knappheitsökonomie“ abgelöst. Doch was bedeutet das genau – vor allem mit Blick auf die Zukunft? Anlässlich unseres 25-jährigen Jubiläums lieferte Prof. Dr. Straubhaar mit seiner Keynote zum Thema „Was bleibt, wenn alles (radikal) anders wird?“ genau zu dieser Frage einen aussichtsreichen Impuls.
1) Wir erleben gerade herausfordernde Zeiten: Überall herrscht Mangel – bei Rohstoffen, Baumaterialien, Heizöl und manchen anderen Konsumgütern genauso wie bei Fachkräften auf dem Arbeitsmarkt. Darüber hinaus dreht manch einer – nicht zuletzt in der Werbebranche – jeden Cent gerade zweimal um. Sieht so nun unsere Zukunft aus?
Mit Blick auf die letzten 25 Jahre, die von enormem Wohlstand und Effizienzmaximierung geprägt waren, stecken wir aktuell in einer spürbaren Zeitenwende. Das Leben wird teurer – und ich gehe davon aus, dass es auch dauerhaft teurer bleiben wird. Krisen und ihre Kosten werden die kommenden Jahre charakterisieren, und wir werden einen Wandel hin zur Knappheitsökonomie erleben bzw. erleben ihn gerade schon. Mit diesem Wandel einher gehen natürlich auch große Unsicherheiten – und diese wiederum wirken als zusätzlicher Kostentreiber. Sie erhöhen in nahezu jedem einzelnen Glied der Wertschöpfungskette die Risiken (und damit Kosten), z.B. für die Ab- und Versicherung, die Aufrechterhaltung von Absatzwegen, notwendig werdende Redundanz – also Mehrspurigkeit und Lagerhaltung – eine vertikale Integration und ein Insourcing, um alles in der „eigenen“ Hand zu haben sowie die Rohstoffversorgung. Diese Veränderungen müssen jedoch nicht zwangsläufig Verschlechterung bedeuten. Sie bergen durchaus großes positives Potenzial, erfordern aber ein Umdenken und Anpassungsfähigkeit.
2) Wie kann diese Anpassung gelingen? Wie schafft man es, gerade als mittelständisches Unternehmen auf dem Werbemarkt nach vorne zu schauen?
Der Schlüssel ist, Knappheit als Innovationstreiber zu sehen. Die Vergangenheit hat uns immer wieder gezeigt, wie Fortschritt und Innovationen „aus der Not heraus“ entstehen: sei es jetzt gerade bei Covid 19 bei der beschleunigten Entwicklung von Medikamenten, einem vernünftigen Umgang mit der Gentechnologie, den Bio-Wissenschaften oder einem Schub nun bei den alternativen Energien. Verhaltensanpassungen bei der Kundschaft, neue Geschäftsmodelle bei den Unternehmen, eine ausgewogene Kombination von Ökonomie und Ökologie, die berücksichtigt, dass die Gewinne der einen immer die Kosten der anderen bedeuten, und entsprechende Anpassungen der Betriebe zur Minimierung aller Kosten, also nicht nur der eigenen, können einen Strukturwandel in Gang setzen. Dieser kann den Veränderungen gerecht werden, die durch die Unsicherheit verursacht werden. Die gesamtheitliche Optimierung löst die individuelle Maximierung als Prämisse ab. Eigentlich genauso, wie es Michael Jäschke auch in seiner Theorie der Hybriden Ökonomie formuliert hat. Diese Entwicklung wird ihre Zeit brauchen. Aber das Warten lohnt sich: eine Knappheitsökonomie sendet genau die Signale aus, die Innovationen die Richtung weisen und das Tempo des Fortschritts auf allen Ebenen von Wirtschaft, Gesellschaft und Politik beschleunigen.
3) Vielversprechende Aussichten! Und bis dahin: Was kann sonst noch gegen die wachsende Unsicherheit helfen?
Wir erleben eine Zeitenwende, weg von Effizienz und Kostenminimierung, hin zu Resilienz und Anpassungsfähigkeit. Ein Handeln, das sich an drei Prinzipien bestimmt, den „drei Vs“, hilft dabei im Kleinen wesentliche Kosten einzusparen: Da ist zum einen die Verankerung in unserer Community – auch in Familie, Nachbarn und Freundeskreisen, der gemeinsame Konsens auf den wir uns einigen können, weil er im Sinne von Schellings Focal-Points-Theorie als natürliche Lösung erscheint. Außerdem das Vertrauen in die gemeinsamen informalen Regeln und Normen, auf die wir uns einigen können – auch hier spielen lokale Netzwerke eine wesentliche Rolle, weil „man sich kennt“, schätzt und wiedersieht. Und in die Möglichkeit, den Lauf der Dinge aktiv in eine positive Richtung zu drehen. Last but not least das dritte V: Varianten. Also die Bereitschaft zur Flexibilität, in Varianten zu denken, nicht nur einen Plan A zu haben, sondern auch einen Plan B und falls nötig auch einen Plan C.