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Auch wenn sich die Bewegtbildnutzung in den letzten Jahren stark verändert hat, ist die tägliche Sehdauer in Deutschland nach wie vor hoch. Vor allem die Nutzung von Streaming- und Videoplattformen nimmt stetig zu. Bei der Planung von Bewegtbildkampagnen darf daher längst nicht mehr nur an lineares TV gedacht werden. Für erfolgversprechende Kampagnen, muss Bewegtbild hybrid gedacht werden, um unterschiedliche Zielsetzungen, KPIs oder Nutzungssituationen von Konsument:innen zu erreichen.
Bei unserem JOM-IMPULSE-Event am 19. April beleuchteten Sai-Man Tsui, Managing Director JOM Group, Roland Köster, Managing Director JOM Group, und Stella Freymuth, Senior Business Consultant Media Analytics Nielsen, deshalb, wie Bewegtbild aktuell von Werbetreibenden in Deutschland eingesetzt wird, welche Trends sich im Bewegtbildmarkt abzeichnen und wie daraus eine kombinierte Bewegtbildstrategie entwickelt werden kann.
JOM IMPULSE in a Nutshell
Stella Freymuth: Wie sieht die aktuelle Mediennutzung in Deutschland aus?
Die Zahlen aus der aktuellen Nielsen-Frühjahrstudie zur Mediennutzung in Deutschland zeigen, dass über alle Medien hinweg ein leichter Rückgang in der Nutzung zu verzeichnen ist, da die Menschen nach der Corona-Pandemie wieder vermehrt anderen Aktivitäten nachgehen. Dennoch bleiben das Smartphone und der Fernseher die ständigen Begleiter der Deutschen und belegen die Plätze eins und zwei der beliebtesten Medien.
Aktuelle Entwicklungen bei der Bewegtbildnutzung
Tatsächlich hat die Mehrheit der Deutschen gerne eine Auswahl an Bewegtbildangeboten. So nutzen mittlerweile 43 Prozent der Haushalte mindestens zwei Streaming-Anbieter. Da ist es wenig überraschend, dass 70 Prozent der Befragten mindestens einmal pro Woche streamen. Bei den Jüngeren, also den 18- bis 34-Jährigen, sind es sogar 91 Prozent. Dabei werden Videoplattformen und Video-Streaming-Dienste gleichermaßen genutzt. Die meisten Befragten gibt zudem an, dass sie täglich 1 bis 2 Stunden Video-Streaming-Dienste nutzen. Auch die Mehrheit der Nutzer:innen von klassischem TV konsumiert 1 bis 2 Stunden am Tag. Spannend ist jedoch, dass der Anteil der Heavy User, also jener, die mehr als 2 Stunden pro Tag konsumieren, beim klassischen TV höher ist als beim Streaming.
Zu den beliebtesten Inhalten zählen hierbei Serien, Filme und Nachrichtensendungen, gefolgt von Reportagen, Sportshows und Dokumentationen. An zweiter Stelle stehen Tutorials und Realityshows, gefolgt von Kindersendungen. Allerdings gibt es Unterschiede zwischen den verschiedenen Altersgruppen: So sind Tutorials und Realityshows sowie Kindersendungen bei den 18- bis 34-Jährigen deutlich beliebter.
Auch bei der Wahl des Devices, um Bewegtbild zu konsumieren, gibt es Unterschiede zwischen den Altersgruppen: Die meisten Menschen konsumieren Bewegtbild über ein Smart TV, gefolgt vom Smartphone und dem Fernseher ohne Internetanschluss. Bei den Jüngeren hingegen belegt das Smartphone den ersten Platz und der Smart TV liegt an zweiter Stelle. Was zudem spannend ist: Mit jeder Ausgabe der Mediennutzungsstudie geht der Konsum über TV ohne Internetanschluss leicht zurück.
Zu den beliebtesten Streaming-Anbietern gehören in Deutschland Netflix und Amazon Prime.
Zwar konnte Netflix mit seinem werbefinanzierten Modell in diesem Frühjahr noch 18 Prozent neue Abonnent:innen gewinnen und hat damit immerhin schon 26 Prozent User:innen der kostengünstigeren Variante, dennoch verzeichnen fast alle Anbieter einen leichten Rückgang.
Wie stehen die Deutschen zur Werbung?
Vor allem bei den Jüngeren zeigt sich, dass sie der Werbung noch mehr vertrauen als die Älteren – und das über alle Kanäle hinweg. Das gilt auch für personalisierte Werbung: Die Jüngeren erinnern sich nicht nur besser daran, schon einmal personalisierte Werbung erhalten zu haben, sie stimmen auch eher zu, dass personalisierte Werbung ihren Interessen entspricht. Allerdings fühlen auch sie sich durch personalisierte Werbung beobachtet und haben das Gefühl, zu viel Werbung ausgespielt zu bekommen.
Roland Köster: Wie können Nutzer:innen über lineares TV aufmerksamkeitsstark angesprochen werden?
Zwar sinkt die Nutzungsdauer von Bewegtbild kontinuierlich, dennoch nimmt sie mit 5 Stunden und 26 Minuten immer noch den größten Anteil am täglichen Medienkonsum ein. Allerdings zeigt sich auch hier wieder ein großer Gap zwischen den Altersgruppen, denn die unter 50-Jährigen verbringen generell immer weniger Zeit mit dem Bewegtbild und nur noch die Hälfte von ihnen ist überhaupt über das laufende Bewegtbild zu erreichen. Damit befinden sich die einzelnen Bewegtbildkanäle im Spannungsfeld zwischen Reichweite, Wirtschaftlichkeit und Aufmerksamkeit.
Häufig wird in der Mediaplanung aber immer noch diskutiert, wie die Performance bei sinkenden Reichweiten erreicht werden kann, welcher Kanal die günstigsten Werbekontakte bringt oder wie der ROI möglichst hoch ist. Dabei ist für die Mediaplanung eigentlich wichtig, wie eine optionale Wirkung in der Bewegtbildplanung stattfinden kann. Denn in erster Linie geht es darum, die Aufmerksamkeit des Zuschauers zu gewinnen. Und das ist eine echte Herausforderung. Denn während sich die Anzahl der Werbeblöcke im TV seit 2010 vervierfacht hat, ist die Sehdauer um 12 Prozent gesunken. Bei fünf Stunden Medienkonsum werden rund 84 Minuten Werbung ausgestrahlt – und nur 9 Minuten werden davon tatsächlich wahrgenommen. Das bedeutet: 90 Prozent der Werbung erreicht die Konsument:innen gar nicht. Mediaplaner:innen müssen sich also die Frage stellen, wie sie in die selektive Wahrnehmung der Konsument:innen gelangen. Die Werbewirkung lässt sich mit folgender Formel ausdrücken:
Werbewirkung = Sichtbarkeit des Werbeformates x Relevanz für die Zielgruppe
Faktoren, die zur Sichtbarkeit des Werbeformats beitragen, sind z. B. die Bildschirmgröße, das Werbeformat der Werbung oder Ablenkungsmöglichkeiten. Die Relevanz für die Zielgruppe wird durch das Medienumfeld beeinflusst, wie durch den Inhalt oder die Nutzungssituation.
Im klassischen Fernsehen können diese Faktoren durch eine gezielte Umfeldplanung beeinflusst werden. Relevante Umfelder sind z. B. ein hoher Anteil der Zielgruppe an der Seherschaft oder die Reichweite der Einzelsendung in der Zielgruppe, aber auch eine hohe Verweildauer der Zuschauenden im Programm und ein geringes Zapping während den Werbeblöcken. Im TV sollten die relevanten Umfelder den Sender bestimmen.
Sai-Man Tsui: Wie können Nutzer:innen über digitales Bewegtbild aufmerksamkeitsstark angesprochen werden?
Oft wird lineares TV als Basismedium geplant und non-lineares als Ergänzung zur inkrementellen Reichweitensteigerung eingesetzt. Dabei wissen wir, dass gerade die unter 30-Jährigen nicht mehr täglich über lineares Fernsehen erreichbar sind. Nur eine hybride Planung ermöglicht Synergien im Hinblick auf die Einkaufs- und Planungseffizienz. Denn eine komplementäre Bewegtbildplanung führt dazu, dass durch die gezielte Ergänzung digitaler Medien der Werbedruck innerhalb der Zielgruppe reguliert werden kann: So kann über non-lineares Bewegtbild durch Targeting-spezifische Aussteuerung das junge Alterscluster gestärkt oder ein regionaler Ausgleich geschaffen werden.
Außerdem liefern Smart TVs eine Menge an Daten und Informationen über die User:innen, die es ermöglichen, Zielgruppen wie z.B. Streamer oder auch Heavy Streamer zu identifizieren und über Daten-Targeting auf anderen Devices anzusprechen.
Grundsätzlich bietet non-lineares Bewegtbild mittels Daten-Targeting mehrere Ansätze für eine integrierte Kampagnenaussteuerung:
Auch im Digitalen kann die Aufmerksamkeit von Bewegtbildkampagnen gesteigert werden. Da die Geräte einzeln angesteuert werden können, kann das zum einen über den Big Screen erfolgen, oder indem die User:innen in Lean-Back-Situationen wie beim Netflix schauen, angesprochen werden. So kann das Involvement und damit die Werbewirkung verstärkt werden. Auch Platzierungen auf digitalen Leuchttürmen wie YouTube Masthead können eine enorme Reichweite generieren.
Weiterhin sollte unbedingt beachtet werden, dass der nachfolgende Content einer Pre-Roll Ad auch die Qualität der Platzierung bestimmt. So sollte beispielsweise immer darauf geachtet werden, dass das Umfeld eines Werbespots thematisch passt.
Wie im linearen Bewegtbild lässt sich auch im digitalen die Werbewirkung über die Formel
„Werbewirkung = Sichtbarkeit des Werbemittels x Relevanz bei der Zielgruppe“ erhöhen. Die Sichtbarkeit eines Werbemittels wird durch aufmerksamkeitsstarke Videoformate oder die Berücksichtigung der Ausspielung auf dem Big Screen gewährleistet. Während die Relevanz für die Zielgruppe beispielsweise durch die Platzierung in Umfeldern mit hoher Zielgruppenaffinität sichergestellt wird.
Fazit:
Insgesamt ist die Mediennutzung zuletzt zurückgegangen bzw. hat wieder das Vor-Corona-Niveau erreicht. Zudem ist im Bereich Streaming erstmals eine Art Sättigung eingetreten, sodass kein Anbieter mehr Zuwächse verzeichnen kann. Gleichwohl erfreuen sich die werbefinanzierten Modelle der Streaming-Dienste immer größerer Beliebtheit. Über die Altersgruppen hinweg sind aber einige Unterschiede zu erkennen, sowohl bei der Nutzungsdauer von Bewegtbild als auch bei der Wahl des Devices, über das konsumiert wird, oder bei den Inhalten, die geschaut werden. Für Werbetreibende ist es daher wichtig, ihre Zielgruppen zu kennen.
Neben sinkenden Reichweiten stellt auch die Informationsübersättigung der Konsument:innen die Werbetreibenden vor große Herausforderungen: Denn nur knapp 10 Prozent der Bewegtbildwerbung wird überhaupt wahrgenommen. Daher sollte die Bewegtbildstrategie geräteübergreifend sein und Aufmerksamkeit als neue Mediawährung begriffen werden. So kann (auch im digitalen Bereich) über Umfelder die Wahrnehmung bestimmt werden. Entscheidend für die Sichtbarkeit von Kampagnen auf allen Devices ist die richtige Planung von Umfeldern, Werbeformaten und Kontexten.