Handel im Wandel: (Kommunikations-)Konzepte für die Zukunft der Innenstädte

Handel im Wandel: (Kommunikations-)Konzepte für die Zukunft der Innenstädte

Der Handel steht aktuell mit vielen Herausforderungen: die Frequenz in den Innenstädten geht immer weiter zurück, der harte Wettbewerb mit dem Onlinehandel hat sich durch die Corona-Pandemie verschärft und da viele Gewerbeflächen Indexmietverträge haben, steigen die Mietausgaben analog zur Inflation immer weiter und erhöhen den Druck auf die Händler zusätzlich.

In unserem JOM-IMPULSE-Event am 25. Mai 2023 gingen Florian Treiß (Gründer und Chefredakteur von locationinsider.de und mobilbranche.de) Markus Weber (Director Media Consulting bei der JOM Group) und Timo Sander (Head of Vertical Videos bei JUSTADDSUGAR) auf die Herausforderungen der deutschen Innenstädte ein und haben Impulse für die Zukunft des stationären Handels diskutiert.

JOM IMPULSE in a Nutshell

Florian Treiß: Was der Handel tun kann, um Innenstädte wieder attraktiver zu machen.

Ein grundsätzliches Problem stellt oft schon die Infrastruktur deutscher Innenstädte dar: Diese wurden in der Vergangenheit oft so angelegt, dass das Zentrum als monofunktionales Shoppinggebiet konzipiert ist, in der außerhalb der Öffnungszeitung wenig „Leben“ herrscht.

Dabei sollten Stadtteile so gestaltet werden, dass sie nicht nur zum Einkaufen dienen, sondern zu einem Ort werden, an dem Menschen sich treffen und sich gerne aufhalten. Dies könnte durch ausreichende Angebote in den Bereichen Freizeit, Gastronomie und Shopping aber auch durch den Ausbau von Grünflächen und Wasseranlagen erreicht werden. Denn grundsätzlich besteht bei den Konsument:innen das Bedürfnis, nicht mehr nur ihren Bedarf zu decken – dies können sie heutzutage ohnehin besser online erledigen – sondern auch etwas zu erleben.

Doch was kann der Handel tun, um für die Menschen wieder attraktiv zu werden?

Auch die Geschäfte sollten ihren Kund:innen Erlebnisse bieten. Diese können sie durch eigene Kurse, Workshops oder Events schaffen. Aber auch geschmackvolle oder besonders „instagrammable“ Einrichtungsstile können Besucher:innen in die Filialen locken. Des Weiteren können spezielle Angebote in den Shops, wie die Option Waren personalisieren zu lassen, dazu führen, dass mehr Konsument:innen vor Ort kaufen.

Umfragen zufolge wünschen sich viele Deutsche eine größere Auswahl an regionalen und inhabergeführten Geschäften in den Innenstädten. Auch Shops, die einen Blick hinter die Kulissen erlauben, wie zum Beispiel gläserne Werkstätten, erfreuen sich großer Beliebtheit.

Für die jüngere Generation sind nahtlose Übergänge beim Kanalwechsel ein attraktives Einkaufserlebnis. Denn das Smartphone ist nicht nur ihr ständiger Begleiter, sondern auch digitale Shoppinghilfe. Kein Wunder also, dass sie sich digitale Services wie kostenloses Kunden-WLAN wünschen. Auch aktuelle Trends, exklusive Drops und Releases, wie es bei neuen Sneakern häufig der Fall ist, machen den stationären Handel für sie sehr spannend.

Markus Weber: Wie Media gezielt genutzt werden kann, um für mehr Frequenz in den Filialen zu sorgen.

Früher wurden die Menschen hauptsächlich durch Prospekte in den stationären Handel gelockt. Heute setzen einige Händler gar keine Prospekte mehr ein. Diese Entwicklung ist vor allem dem Internet zu verdanken, die für die Mediaplanung auch spannende Vorteile bietet: Eine Vielzahl von Daten kann nun gesammelt und auch genutzt werden.

So können unter anderem diese fünf Impulse Anregungen geben, wie mithilfe von Daten die Frequenz in den Geschäften erhöht werden kann:

  1. Die Strahlkraft des Fernsehens nutzen: TV ist seit einiger Zeit in der Diskussion. Vor allem, weil die Kosten immer weiter steigen und gleichzeitig die Reichweiten – insbesondere in der jüngeren Zielgruppe – sinken. Tatsächlich aber generiert TV von allen Bewegtbildkanälen immer noch die größte Aufmerksamkeit. Für den Handel bergen insbesondere die Formate ATV (Addressable TV) und CTV (Connected TV) interessante Möglichkeiten für die Zielgruppenansprache. Denn sie verbinden den Big Screen mit den Optionen des datengetriebenen Targetings. Auch wenn sich ATV und CTV hinsichtlich des Werbeformates und des Umfeldes unterscheiden, bieten beide eine Vielzahl unterschiedlicher Möglichkeiten, die eine individuelle und zielgerichtete Ansprache auf Regionseben ermöglichen. So können z. B. auch regionale Händleradressen in einen TV-Spot integriert werden.
  2. Präsenz dort zeigen, wo die Zielgruppe unterwegs ist: Auch wenn vermutet wurde, dass die Corona-Pandemie das Gegenteil bewirkt hat, ist der ROPO -Effekt (Research Online, Purchase Offline) in vielen Produktkategorien nach wie vor sichtbar und zieht die Menschen in den Handel. Die Innenstädte bleiben also grundsätzlich relevant. Und genau dort können potenzielle Kund:innen mittlerweile über eine Vielzahl von digitalen Werbeflächen, wie über Infoscreens oder Public Videos in der Mall, erreicht werden. Auch hier kann über Datentargeting eine gezielte Aussteuerung erfolgen, z. B. wetterabhängig oder als Echtzeit-Reaktion auf Produktverfügbarkeiten in Filialen.
  3. Die Kraft von Audio nutzen: Radio hat nach wie vor eine hohe Relevanz. Das liegt zum einen daran, dass viele potenzielle Kund:innen in kürzester Zeit und zu relevanten Zeiten wie auf dem Weg zur Arbeit oder zum Einkaufen angesprochen werden können. Zudem ist eine regionale Ansprache möglich und die Hörer:innen haben immer noch ein positives Vertrauen in den Kanal Radio. Aktuelle Entwicklungen im Audiobereich zeigen, dass Radio zwar die höchste Nutzung aufweist, aber Musikstreaming und Podcast vor allem bei jungen Zielgruppen die größten Zuwächse verzeichnen. Beide bieten auch einige Vorteile für die Mediaplanung, da unterschiedliche Zielgruppen definiert und angesprochen werden können. Ein weiterer Pluspunkt: Streaming-Anbieter bieten nicht nur Audio, sondern auch audiovisuelle Maßnahmen an.
  4. Den Erfolg von Kampagnen messen: Wie erfolgreich die einzelnen Kampagnen sind, kann heute sehr genau gemessen werden. Eine Messung ist nicht nur wichtig, um den Erfolg einer Kampagne zu belegen, sondern auch um Learnings für zukünftige zu generieren. Als Basis kann die Footfall-Messung herangezogen werden. Über den Abgleich von Bewegungsprofilen einzelner Nutzer:innen kann nachvollzogen werden, ob Empfänger:innen einer Kampagne im Store waren oder nicht – auch ohne, dass diese auf die Anzeige geklickt haben. Diese Methode funktioniert dabei nicht nur für mobile Endgeräte, sondern auch für DOOH-, CTV- und ATV-Kampagnen.
  5. Die Kund:innen kennen: Daten können jedoch noch wesentlich mehr Aufschluss über die Kund:innen geben. So können die Daten zeigen, wie oft einzelne Kund:innen in den Store kommen, wann sie einkaufen gehen und über welche digitalen Kanäle sie ihren Weg in die Filiale gefunden haben. Verfügen Händler zudem über weitere Daten, zum Beispiel von externen Anbietern, sind sie sogar in der Lage, Aussagen darüber zu treffen, ob Kund:innen beispielsweise besonders reisefreudig sind. Diese Informationen können dann als Grundlage für Zielgruppen-Cluster und die Aussteuerung von Kampagnen dienen, um beispielsweise Wochenendeinkäufer:innen am Samstag auf dem Weg zum Einkaufen gezielt anzusprechen.

Timo Sander: Wie der Handel mit Vertical Videos einen Sales Uplift erreichen kann.

Spätestens seit der Pandemie erfreut sich TikTok immer größerer Beliebtheit – das belegen auch die folgenden Zahlen. Die Plattform hat in Deutschland bereits 20 Millionen monatliche Nutzer:innen und pro User:in ist eine durchschnittliche Nutzungsdauer von 90 Minuten sowie eine durchschnittliche Sitzungsdauer von 9 Minuten zu verzeichnen. Für 55 Prozent der User:innen liegt der Nutzungsgrund in der Entdeckung neuer Trends, Marken und Produkten.

Die Besonderheit hinter der App ist der Algorithmus: Es geht nicht primär darum, eine bestehende Community zu erreichen, sondern immer wieder neue und andere Nutzer:innen.

Und auch für den Handel kann TikTok Chancen bieten, wenn einige Faktoren beachtet werden:

Zum einen sollten im Vorfeld klare Ziele und ein lückenloses Set-Up zur Erfolgsmessung definiert werden, um sicherzustellen, dass alle Aktionen gemessen werden, damit im Anschluss ausgewertet werden kann, wie welche Maßnahmen performt haben.

Außerdem sollten sich Werbetreibende zuerst mit der Plattform und deren Nutzer:innen beschäftigen, um diese zu verstehen. Denn nur wenn Marken sich auf das Format einlassen, können sie kreativen und erfolgreichen Content produzieren. Dabei muss der Content nicht unbedingt kompliziert gestaltet werden. Viel wichtiger ist, dass Marken Mehrwerte statt Messages bieten. Gerade die junge Generation ist mit Werbung aufgewachsen und erkennt diese, wenn sie sie sieht. Unternehmen sollten sich daher möglichst authentisch und nahbar präsentieren.

Auch die Interaktion mit der Community ist wichtig. TikTok ist keine Plattform für One-Way-Kommunikation, die User:innen wollen sich gehört und verstanden fühlen. Außerdem sollte TikTok in hoher Frequenz mit Inhalten bespielt und möglichst viel ausprobiert werden. Nur wenn Werbetreibende offen für Test, Learn und Adapt sind, können sie mehr über die Sprache und Bedürfnisse der Zielgruppe auf TikTok lernen.

Es gibt bereits einige Beispiele, die zeigen, wie es Handelsmarken gelingen kann, die Brücke zwischen von On- und Offline zu schlagen, wenn sie einen Trend in den sozialen Medien rechtzeitig erkennen und am Point of Sale aufgreifen: So präsentieren Buchhändler die Bücher, die User:innen auf TikTok unter dem #Booktook empfohlen haben, im Geschäft unter der Kategorie Booktook und es so geschafft, die neu entstandene Community des sozialen Netzwerkes im realen Leben anzusprechen.

Fazit

Auch wenn die Innenstädte mit vielen Herausforderungen zu kämpfen haben, besteht bei den Menschen das Bedürfnis, diese zu besuchen. Wenn der Handel auf bestimmte Grundbedürfnisse der Menschen eingeht und ihnen z. B. Erlebnismöglichkeiten bietet, können neue Anreize geschaffen werden, um die Frequenz in den Städten wieder zu erhöhen. Auch die Mediaplanung kann dazu beitragen, die Frequenz in den Geschäften zu erhöhen. Ob über CTV und ATV auf dem Big Screen, über den regionalen Radiosender oder mit DOOH dort, wo die Menschen unterwegs sind – es stehen mittlerweile eine Vielzahl von Möglichkeiten zur regionalen Zielgruppenansprache zur Verfügung, die über datengetriebenes Targeting auch gezielt und individuell erfolgen kann.

Insbesondere die junge Generation kann durch die Vernetzung von On- und Offline-Welt abgeholt werden. Durch die authentische Umsetzung von Trends, z.B. von der beliebten Plattform TikTok am PoS, können Händler die Aufmerksamkeit vor allem der jungen Generation gewinnen.