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Im Interview: Prof. Mag. Bernhard Heinzlmaier, Jugendforscher und Leitung tfactory Trendagentur
1. Worin unterscheidet sich die Generation Z von ihren Vorgängergenerationen im Hinblick auf ihre Einstellungen und Werte?
Der wichtigste Unterschied besteht in der großen Bedeutung der Werte „Sicherheit“ und „Stabilität“. Diese sind heute ähnlich relevant wie in der Nachkriegsgesellschaft. Die jungen Menschen sind risikoavers und verlangen nach Kontinuität. Neuerrungen steht man mit Skepsis gegenüber, in den Mittelschichten erwartet man sich von Innovationen und Veränderungen vor allem Nachteiliges. Insgesamt fürchtet man die Zukunft und glorifiziert die Vergangenheit. In der soziologischen Literatur findet sich hierzu der Begriff „retrotopisch“. Er bedeutet, dass für die Menschen der Postmoderne, also unserer Zeit, die Utopie keine Zukunftshoffnung mehr ist, sondern eine Nostalgie, also etwas schon Dagewesenes, nach dem man sich sehnt und dessen Wiederkehr man herbeiwünscht.
Im Gegensatz dazu war die Generation Y abenteuerlustig, spontan, hatte Lust auf Zukunft und Interesse an Innovationen. Der Grund dafür liegt in „Sozialpartnerschaftlichen Verhältnissen“, in staatlich kontrollierten Märkten, in sozialstaatlichen Strukturen, in wirtschaftlicher Stabilität, im kontinuierlichen und stetigen Wirtschaftswachstum, im geringen Einfluss des gewerkschaftsfeindlichen digitalen Kapitals etc.
Die Reserviertheit gegenüber Risiken und Veränderung wird von drei Faktoren getrieben:
a. multiple Krisen (Inflation, Teuerung, Krieg in Europa, Corona, wirtschaftliche Stagnation, Klimawandel)
b. Deregulierung, Pluralisierung und Individualisierung von Risiken
c. Verlust der kulturellen Stabilität durch Internationalisierung/Zuwanderung und der Erosion traditioneller Werte. In diesem Zusammenhang wichtig: der Versuch wieder festen Boden unter die Füße zu bekommen (Regrounding) durch Hinwendung zu Nationalismus, Regionalismus und konservativen Weltbildern und Werten.
2. Sie bezeichnen die junge Generation als Krisengeneration – welche Auswirkungen haben die Corona-Pandemie, der Ukraine-Krieg oder der Klimawandel auf das Leben und die Lebensentscheidungen der Gen Z?
Die multiplen Krisen rufen Verunsicherung und „Zukunftsmüdigkeit“ hervor. In der gesellschaftlichen Mitte prägt sich nach und nach eine Krisendepression aus. Die Krisenlast ist zu groß, man kann sie nicht mehr bewältigen und versucht sie deshalb zu verdrängen. Viele Menschen meiden die Tagesschau oder das Lesen der Tagespresse. Man zieht sich zurück in die Freundeskreise und Familie, in die Idylle der kleinen Gemeinschaften. Erste Anzeichen für eine Stadtflucht treten auf. Die städtische „Gesellschaft“ ist mit zu vielen Gefahren belastet, man will in die Sicherheit der ländlichen „Gemeinschaften“ flüchten.
3. Die Gen Z sind die ersten „Digital Natives“, welche Auswirkung hat das auf ihr Mediennutzungsverhalten?
Die Jugend ist geprägt von einer von Bildern bestimmten Kommunikation. Dies bedeutet, „diskursive Kommunikation“, in der rationale Argumentationen dominieren, tritt zurück und wird durch einen emotionalen „präsentativen“ Kommunikationsstil ersetzt werden. Rationale Kommunikationsformen verlieren an Einfluss, emotionale Kommunikation, in der es vor allem um die Erregung von Gefühlen und die Reflexion von Gefühlszuständen geht, treten in den Vordergrund. Schreib-Lese-Kultur verliert an Bedeutung, bedeutsam wird der Austausch von emotionalen Bildern (Instagram, TikTok, YouTube). Die postmoderne Jugend will nicht mit Argumenten überzeugt, sondern durch Bilder und emotionale Texte berührt und bewegt werden. Nicht die Vernunft regiert, sondern das Gefühl, das Irrationale, das geheimnisvolle Raunen, das von „mystischen“ Bilderfahrungen hervorgerufen wird.
4. Was ist der jungen Generation bei Marken wichtig? Worauf legt diese wert?
Kontinuität was Werte und ästhetische Formen betrifft. Nachvollziehbare Narrative über Herkunft und Traditionen. Vielleicht am besten durch das Zitat des großen deutschen Philosophen Odo Marquardt ausgedrückt: „Zukunft braucht Herkunft“.
Marken müssen in der Lage sein, Identität und Zusammengehörigkeit zu stiften = Marken-Communitys werden wieder wichtiger. Strong ties statt weak ties. Die Mittelschichten wollen sich heute wieder abgrenzen. Multikulturalität ist die Angelegenheit der urbanen Bildungsschichten. Die Mehrheit der Mitte will eine kulturelle Heimat haben, in der sie sich täglich gespiegelt sieht, vor allem was Werte und ästhetische Formen betrifft. Auch Marken brauchen wieder eine Geschichte, die glaubwürdig erzählt werden muss. Die großen philosophischen Fragen „wer bin ich“, „woher komme ich“, wohin gehe ich“, stellen sich den Menschen heute wieder, prägen ihr alltägliches Leben und müssen auch in der Markenkommunikation beantwortet werden. „Be real“ zählt wieder!